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Landwirtschaft 4.0: Wenn sich der Mähdrescher um den Fahrer sorgt - Elektronikpraxis

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Landwirtschaft 4.0: Wenn sich der Mähdrescher um den Fahrer sorgt

| Autor / Redakteur: Aileen Seebauer* / Sebastian Human

Auch in der Landwirtschaft halten vernetzte Systeme und digitale Assistenten zunehmend Einzug. Bislang ging es hier aber vor allem darum, Geräte und Arbeiten zu automatisieren. Das Karlsruher Institut für Technologie nimmt nun den Menschen dahinter in den Fokus.

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Während eines Erntetages fallen sowohl Zeiten mit hoher als auch mit relativ geringer Arbeitsbelastung an – ein Assistenzsystem soll nun beim Ausgleich unterstützen.
Während eines Erntetages fallen sowohl Zeiten mit hoher als auch mit relativ geringer Arbeitsbelastung an – ein Assistenzsystem soll nun beim Ausgleich unterstützen.

(Bild: Claas KGaA mbH)

Getreide – zur Herstellung von Nahrungsmitteln und Tierfutter – ist neben Fleisch und Gemüse die Haupteinnahmequelle in der Landwirtschaft. Bedeutendste Getreideart im deutschen Ackerbau ist Weizen mit einer Anbaufläche von rund 3,1 Millionen Hektar im Jahr 2019. Trotz modernster Maschinen gibt es bei der Ernte Phasen einerseits sehr hoher und andererseits relativ geringer Arbeitsbelastung. Forscherinnen und Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln nun ein automatisiertes Assistenzsystem, das – orientiert am aktuellen Beanspruchungsniveau – Handlungsempfehlungen ausgeben kann.

Automatisierte Assistenzsysteme sollen Landwirtinnen und Landwirte künftig dabei unterstützen, durchgehend auf mittlerem Beanspruchungsniveau zu arbeiten.
Automatisierte Assistenzsysteme sollen Landwirtinnen und Landwirte künftig dabei unterstützen, durchgehend auf mittlerem Beanspruchungsniveau zu arbeiten.

(Bild: Claas KGaA mbH)

Bei der Ernte kombiniert ein Mähdrescher mehrere Arbeitsschritte: Über das Schneidwerk nimmt er das Getreide auf und befördert es in das Dreschwerk, in dem es gedroschen wird. Danach wird das Dreschgut gereinigt und gelangt in den Korntank, von dem aus es abtransportiert wird. Intelligente und vernetzte Systeme prägen bereits heute den landwirtschaftlichen Alltag: Knapp 82 Prozent der deutschen Landwirtinnen und Landwirte setzen digitale Technologien ein. „Landwirtschaftliche Erntemaschinen mit einem hohen Automatisierungsgrad können mit GPS-Lenksystemen, Sensoren oder Farm- und Managementsystemen bereits viele Arbeitsschritte eigenständig ausführen", sagt Patrick Lehr vom Institutsteil Mobile Arbeitsmaschinen (Mobima) am Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST) des KIT. „Dank solcher Systeme lässt sich die Zeit auf dem Mähdrescher auch nutzen, sich um andere Dinge zu kümmern, beispielsweise Managementaufgaben.“

Über den Erntetag verteilt – der häufig mindestens zehn Stunden lang ist – fallen sowohl Zeiten mit hoher als auch mit vergleichsweise niedriger Arbeitsbelastung an: „Verschiedene Studien haben gezeigt, dass es für den Menschen am angenehmsten ist, sich in einem mittleren Beanspruchungsniveau zu bewegen“, erläutert Lehr. Hier setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Mobima und des Instituts für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation (ifab) an und entwickeln ein Assistenzsystem, das Fahrerinnen und Fahrern abhängig vom aktuellen Beanspruchungsniveau Aufgaben zur Bearbeitung empfiehlt. „Sinnvolle Zusatzaufgaben für Phasen geringer Belastung kommen aus der Buchhaltung, dem Personal- oder Materialmanagement sowie dem privaten Aufgabenfeld. Diese könnten sonst erst nach der Feldarbeit erledigt werden“, erklärt Lehr. „Andererseits ist gerade beim Andreschen – also wenn der Fahrer die Arbeit auf einem neuen Feld beginnt – höchste Aufmerksamkeit gefragt. Da ist dann ein Ausblenden aller irrelevanten Informationen wichtig“. So wirke das System einer Unter- und Überforderung entgegen und halte die Daueraufmerksamkeit kontinuierlich aufrecht.

Intelligente Systeme erkennen Belastung

Die neuartige Fahrerkabine besteht aus mehreren Teilsystemen. Dabei soll vor allem erkannt werden, wie sehr die Fahrerin oder der Fahrer aktuell beansprucht ist. In Studien untersuchen die Forscherinnen und Forscher vom ifab den Belastungszustand mittels Blickerfassung (Eye-Tracking). Auch ein Fitnessarmband, das mithilfe von Lichtsignalen den Puls ermittelt und so das Stresslevel messen kann, sei vorstellbar. „Mit diesem Input können wir dann Handlungsempfehlungen erstellen“, erklärt Lehr. Diese sollen dann künftig über eine auf Augmented Reality basierende Schnittstelle ins Sichtfeld des Fahrers projiziert werden, um die Kabine nicht mit Bedienelementen zu überladen.

Die an das Beanspruchungsniveau anpassungsfähige Mensch-Maschine-Schnittstelle habe ökologische, ökonomische sowie gesellschaftliche Vorteile, so Lehr. Durch die digitale Vernetzung der Fahrerkabine werden für die Ernte hilfreiche Informationen wie Wettervorhersagen oder Daten zur Bodenbelastung eingebunden. „Nicht zuletzt kann das neuartige technische System auch den Arbeitsplatz und das Berufsbild insgesamt attraktiver machen“, erläutert Lehr.

Technische Umsetzung beginnt

Nachdem die Arbeitsgruppe des Mobima inzwischen alle Anforderungen gesammelt und daraus Konzepte für die einzelnen Teilsysteme erstellt hat, entwickeln sie nun konkrete technische Lösungen, die den Zustand der Fahrerin oder des Fahrers erfassen und Interaktionen ermöglichen. Dafür testen sie das System in einem Demonstrator. In einem separaten Versuch zur Zustandserfassung messen sie die Auslastungsgrenze von Probanden, in dem diese eine Hauptaufgabe auf dem Feld, wie das Dreschen, und wahlweise noch eine Nebenaufgabe im Management erledigen.

Um die Wünsche und Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte hier direkt einbeziehen zu können, hat das Team bereits im Vorfeld Betriebsleitungen, Fahrende und landwirtschaftliche Dienstleister befragt. „Die Mehrheit konnte sich vorstellen, in Zukunft die Zeit, in der der Mähdrescher automatisch arbeitet, auch anderweitig zu nutzen, insbesondere die immer wichtiger werdende Dokumentationspflicht wurde vermehrt genannt“, sagt Lehr.

Die Untersuchungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT sind Teil des Verbundprojekts Fahrerkabine 4.0: Entwicklung einer beanspruchungsadaptiven Nutzerschnittstelle für Landmaschinenbetreiber. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit insgesamt drei Millionen Euro – davon erhält das KIT etwa 1,4 Millionen Euro. Weitere Projektbeteiligte sind die Universität Hohenheim, das Startup R3DT, die Firma Inmach, das Unternehmen Budde Industrie Design sowie der europäische Marktführer von Erntemaschinen Claas.

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserem Partnerportal Industry-of-Things.de.

* Aileen Seebauer arbeitet als Volontärin am Karlsruher Institut für Technologie.

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July 12, 2020 at 03:00PM
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