Absurde Preispolitik
Staatliche Aufkaufstellen waren verpflichtet, den Privaterzeugern alles abzunehmen, und das zu festen Preisen, die meist deutlich über denen lagen, die der Endverbraucher später in der Kaufhalle zahlen musste. Wirtschaftlich gesehen war das absurd, doch die DDR wollte um jeden Preis die Versorgungslücken schließen, ohne auf Lebensmittel aus dem Ausland zurückgreifen zu müssen. Denn für die musste man Devisen hinblättern, die bekanntlich knapp waren. Die Diskrepanz zwischen den staatlich festgesetzten Einkaufs- und Verkaufspreisen machte die kleinbäuerlichen Hauswirtschaften äußerst lukrativ.
Doch das ist nicht die einzige Absurdität, die mit den individuellen Hauswirtschaften zusammenhängt. Ein weiteres Problem waren die stark subventionierten Preise für Grundnahrungsmittel im Einzelhandel. So wurden zum Beispiel Brot und Brötchen an Tiere verfüttert, weil sie in der DDR weit unter ihren Herstellungskosten über den Ladentisch gingen. Das sollte der Versorgung der Bevölkerung dienen, lud aber zum Missbrauch ein - denn es war viel billiger, die "individuellen" Schweine mit Brot statt Getreide zu mästen.
Ein Dorf mit unglaublichem Appetit
Das Ausmaß dieser Verschwendung förderte im Sommer 1980 eine Untersuchung die Arbeiter- und Bauerninspektion (ABI) im mecklenburgischen Kasendorf zutage. Dort kam heraus, dass die örtliche Konsum-Verkaufsstelle wöchentlich sagenhafte 730 bis 1.200 Schwarzbrote, 210 Mischbrote und täglich rund 20 Kisten Buttermilch absetzen konnte. Allerdings zählte das Dorf nur 69 Einwohner - der durchschnittliche Brotverbrauche eines Haushalts lag bei stolzen 60 Laiben pro Woche. Was mit den Lebensmitteln geschah, war sonnenklar: Der Großteil landete im Futtertrog. Das war kein Einzelfall.
Individuelle Hauswirtschaften 1945 hatte man in der Sowjetischen Besatzungszone eine Bodenreform durchgeführt. Landbesitz über 100 Hektar wurde enteignet und teilweise an Neubauern verteilt. Bereits 1952 kam aber die Kehrtwende: Die Einzelbauern sollten in die LPGs eintreten. Erfolgreiche Mittel- und Großbauern mieden den Eintritt jedoch häufig. Um einen zusätzlichen Anreiz für sie zu schafen, gewährten ihnen die Genossenschaftsstatuten die sogenannten Hauswirtschaften.
Sie waren ursprünglich für die Eigenversorgung der Bauernfamilien gedacht, wurden aber bald zu einem lukrativen Geschäft. Jeder Landwirt durfte einen halben Hektar Land nach seinem Beitritt zur LPG weiter selbst auf eigene Kosten und eigenen Nutzen bewirtschaften und dazu eine bestimmte Anzahl Tiere halten. Kleinvieh, etwa Kaninchen, unterlag keiner Begrenzung. Später wurde auch die Obergrenze für größere Nutztiere aufgehoben.
Indiviuelle Hauswirtschaften schließen Versorgungslücken
Der Staat wusste Bescheid - und drückte beide Augen zu, denn die individuellen Hauswirtschaften halfen, die Versorgungslücken zu schließen. In den 1980er-Jahren kam fast der gesamte Bedarf an Honig und Kaninchenfleisch von Privaterzeugern (zu denen neben LPG-Bauern auch Kleingartenbesitzer zählten). Obst und Eier kamen in etwa zur Hälfte aus dem Privatsektor, Gemüse zu gut einem Viertel. Ohne Privaterzeuger wäre das Angebot in den Kaufhallen der DDR also noch um einiges dürftiger gewesen.
August 29, 2020 at 10:00AM
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Trotz LPG: Private Landwirtschaft in der DDR - MDR
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