Gleich zweimal wurden in den letzten Wochen Rassismusvorwürfe gegen den WDR laut. In der Talkshow »Die letzte Instanz« diskutierte eine Runde ausschließlich weißer Medienschaffender darüber, ob man noch rassistisch geprägte Wörter wie »Zigeunerschnitzel« benutzen dürfe. In der Karnevalssendung »Jet zo fiere! Das Beste aus der Verleihung des Ordens ›Wider den tierischen Ernst‹« war eine Passage mit schwarz geschminkten Menschen zu sehen.
Bei der kritisierten Szene handelte es sich um einem Ausschnitt aus einer Sendung, in dem Désirée Nick als Büttenrednerin in Pharaoninverkleidung zu sehen ist – flankiert von zwei schwarz angemalten weißen Männern. Das Material stammt aus einer Karnevalssitzung aus dem Jahr 2010, wo möglicherweise das Bewusstsein darüber, dass die Technik des Blackfacing einen rassistischen Ursprung hat, hierzulande noch nicht so ausgeprägt war. Die »Wider den tierischen Ernst«-Sendung war eine Zusammenstellung von Ausschnitten alter Sendungen.
Während man also weiter die Frage diskutieren muss, ob der WDR ein Rassismusproblem hat, so kann man mit Sicherheit sagen, dass er ein Kontrollproblem hat. Die Anstalt ist die größte innerhalb des ARD-Senderverbunds, sie hat damit auch den größten Output zu liefern. Der WDR muss sein drittes Programm inhaltlich ausstatten, die lineare Ausspielfläche Das Erste mit Informations- und Unterhaltungssendungen beliefern – und er muss natürlich den größten Teil der ARD-Mediatheken-Befüllung übernehmen.
Der Backkatalog an Programm ist riesig. Es stellt sich die Frage, wer den Überblick darüber behält; wer die Shows, Reportagen und fiktionalen Formate, die aus verwertungsrechtlichen Gründen unterschiedlich lange Verweildauern in der Mediathek haben, der Prüfung und Nachprüfung unterzieht – und das eben auch im Hinblick darauf, dass sich gesellschaftliche Vereinbarungen wie die zum Thema Rassismus verschoben haben.
Auf Anfrage des SPIEGEL erklärt eine Sprecherin des WDR: »Schon seit einigen Jahren haben wir gut funktionierende Kontrollmechanismen, die aber in den aktuellen Fällen leider nicht gegriffen haben. Natürlich haben die jüngsten Diskussionen unsere Redaktionen noch einmal sensibilisiert.« Sie betont, dass die betreffenden Fälle aus Sicht des WDR Ausnahmen waren – fügt jedoch hinzu, dass man darüber nachdenke, »die Kontrollmechanismen auszuweiten.«
Permanente Bestandsaufnahme der Archivinhalte?
Zudem betont die WDR-Sprecherin, dass die redaktionelle Verantwortung für die Inhalte jeweils bei den beauftragenden Redaktionen liege. »Zu dieser Verantwortung gehört die redaktionelle Abnahme vor der linearen Ausstrahlung und der Onlinestellung, aber auch, im Blick zu behalten, ob es während der Verweildauer Aspekte gibt, die Änderungen an in der Mediathek verfügbaren Produktionen nötig machen.«
Sprich: In Zukunft muss der WDR ein noch größeres Bewusstsein dafür entwickeln, mit welchen Mechanismen er seine Mitarbeiterschaft altes und weiterhin abrufbares Material sowie neu zum Senden und zum Streamen bereitgestelltes Programm nach problematischen Szenen durchforsten lässt.
Ein Aspekt, der in den nächsten Jahren auch deshalb immer dringlicher wird, da die ARD ihrer Mediathek einen massiven Wachstumsschub verordnet hat, um gegen die stetig mächtiger werdende Konkurrenz von Streamingplattformen wie Netflix und Amazon Prime Video gewappnet zu sein. Es wird darum gehen, immer längere Verwertungszeiträume zur digitalen Distribution für Produktionen zu erstreiten. Und damit wächst eben auch die Aufgabe, eine Art permanente Bestandsaufnahme der Archivinhalte am Laufen zu halten.
Für den März hat der WDR erst einmal einen Programmschwerpunkt zum Thema Rassismus angekündigt.
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