Ketzin/Havel Am Ende der gut einstündigen Diskussion der Landwirte aus dem Bereich Nauen und Ketzin/Havel am vergangenen Freitag war Staatssekretärin Jutta Jahns-Böhm nach eigenen Worten beeindruckt von deren Frust. Die Bevollmächtigte des Landes Brandenburg beim Bund und Bundesrat war auf Einladung von Landtagsmitglied und Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes, Johannes Funke (SPD), nach Ketzin/Havel gekommen, um über die "Ackerbaustrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft" zu diskutieren.
Los ging es gleich beim Pflanzenschutz. "Wenn die Pflanzenschutzstrategie des Bundes umgesetzt wird, hören wir mit der Rapsproduktion auf. Bedauerlicherweise wieder eine Kultur weniger auf den Äckern", kündigte Dirk Peters von der Agro Farm Nauen an. Oliver Musshoff von der Ketziner Marktfrüchte GmbH sieht das gleiche Problem. Das Verbot der Beize des Saatgutes ermögliche keine kosteneffiziente Produktion mehr. Um den Schaden zu verringern, müsse die Produktion zurückgefahren werden. Die Folge sei, dass hier im Land das verringerte Angebot an Rapsöl durch Palmöl mit den bekannten Folgen, wie Abholzung des Regenwaldes, ersetzt werde.
Friedrich Schmidt von der Genossenschaft Wachower Landwirte: "Wenn solche Verbote von der Politik ausgesprochen werden, führt das zu mehr Bodenbearbeitung mit vermehrtem CO2-Ausstoß". Außerdem würden Resistenzen zunehmen, sagte er und sieht auf die Landwirtschaft ein riesengroßes Problem zukommen, das die Politik nicht abschätzen könne.
Zudem werden kaum neue Wirkstoffe zugelassen. Dafür die Empfehlung der genannten Ackerbaustrategie, mehr eiweißhaltige Pflanzen anzubauen. Der spontane Einwurf von Dirk Peters: "Seit vier Jahren sitze ich auf meinen Sojabohnen". Ähnlich sei es mit der Empfehlung, mehr auf bioproduzierte Produkte umzustellen. Ein Beispiel nannte Oliver Musshoff. Ein Nachbarbetrieb habe auf Bioroggen umgestellt. Das Ergebnis: Der Ertrag war halbiert und der Roggen fand keinen Abnehmer.
Ärgerlich für die hiesigen Landwirte ist auch die Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU. Deutlich machte das Friedrich Schmidt an einem Beispiel aus Polen. So sei dort per Ausnahmegenehmigung immer noch ein Insektizid mit einem Wirkstoff zugelassen, der hierzulande schon lange verboten ist. Die Ausnahmegenehmigungen erlasse das jeweilige Land, sagte die Staatssekretärin auf eine entsprechende Frage.
Noch ein Problem für die deutschen Landwirte ist die fehlende Planungssicherheit der Investitionen für mehrere Jahre und Jahrzehnte. Man könne schon aus Kostengründen nicht dauernd die Produktion und Produktionsverfahren umstellen, wie das gegenwärtig praktisch durch die dauernden wechselnden Entscheidungen und Verordnungen praktiziert und gefordert wird.
Diese Planungsunsicherheit mache uns total nervös, reagierte Oliver Musshoff. Die Antwort der Staatssekretärin fühlte sich für die Landwirte wohl wie eine politische Bankrotterklärung an. "Die politische Landschaft verändert sich ständig. Neue Regierungen können neue Verordnungen beschließen und alte aufheben. Gesetze können sich immer ändern", sagte sie.
Ähnliche Probleme, wie beispielsweise zum Insektensterben, zur Preispolitik für hochwertige, einheimisch produzierte Produkte, zum Artenschutz und zum Klimaschutz gaben die Landwirte der Staatssekretärin für ihre Arbeit mit auf den Weg. Eine Bemerkung von Dirk Peters erstaunte sie am Ende des Gesprächs auf dem Ketziner Acker dann doch. Er denke ernsthaft darüber nach, mit CO2-Zertifikaten zu handeln. Die Landwirtschaft produziere nicht nur CO2, sie sorge auch für dessen Bindung.
August 11, 2020 at 09:04AM
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Landwirtschaft: Frust der havelländischen Landwirte beeindruckt Staatssekretärin Jutta Jahns-Böhm - Märkische Onlinezeitung
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