Vielleicht ist es Zeit, sich von Ryan O’Neal zu verabschieden. Die Krimiserie „Bones“, in der er zuletzt den Vater der Heldin spielte, ist ausgelaufen, ein weiteres Engagement im Kino oder Fernsehen nicht angekündigt, und seinen Stern am Hollywood Boulevard hat O’Neal auch bekommen. Auf Agenturfotos sieht man einen zerbrechlichen Greis mit Stock, der auf dem Walk of Fame mit den Namen der Unsterblichen des Films den Boden betrachtet, als könnte er nicht glauben, dass auch sein Name jetzt dort steht.
Tatsächlich sprach nicht viel dafür, dass Charles Patrick Ryan O’Neal einmal zu Ruhm gelangen würde, als ihm seine Mutter, eine irische Schauspielerin mit jüdischen Wurzeln, einen Job als Komparse in einer von Kirk Douglas produzierten Wikingerserie besorgte.
Damals lebte die Familie in München, wo Vater O’Neal für eine andere Fernsehserie die Drehbücher schrieb, während Sohn Ryan missgelaunt die Munich American High School besuchte. Eigentlich hatte er Amateurboxer werden wollen und schon ein Dutzend Kämpfe gewonnen, aber nach der Wikinger-Erfahrung ging er nach Amerika zurück, um sich als Schauspieler zu versuchen.
Nun würde man gern schreiben, O’Neal sei – mit seinem Aussehen, seiner Ausstrahlung – sofort entdeckt worden. Aber es dauerte. Es dauerte zehn lange Fernsehjahre (fünf davon in der Serie „Peyton Place“), bis er seine erste Kinorolle spielte, als Landarbeiter in einer Elmore-Leonhard-Verfilmung. Dann jedoch dauerte es nur noch ein weiteres Jahr, bis er den Part bekam, der ihn ins Reich der Filmlegenden erhob: den Aristokratensohn Oliver an der Seite von Ali MacGraw.
Dass auch das Kitschige eine Kunst ist, ein Resultat genau dosierter Rührungs- und Schockmomente, kann man noch heute an dem Film „Love Story“ (1970) lernen, der die Marke setzte, die erst James Cameron mit „Titanic“ übersprang. O’Neal aber tat genau das Richtige, indem er nicht gleich den nächsten Liebesfilm, sondern mit „Is’ was, Doc?“ das exakte Gegenteil drehte: eine dicht gestrickte Barbra-Streisand-Screwball-Komödie. Ein begeisterter Zuschauer des Films war der Regisseur Stanley Kubrick, und so kam der Star von „Love Story“ zu der Rolle, die ihn wirklich unsterblich gemacht hat.
Er passte perfekt in die Kulissenwelt des Rokoko
Denn man kann viel über Ryan O’Neal sagen, aber ein großer Schauspieler oder auch nur ein guter Charakterdarsteller war er nie. Er war ein Gesicht, ein Typus, ein Blickfang in einem Metier, in dem Blicke alles sind. Eben deshalb passte er perfekt in die Kulissenwelt des Rokoko, die Kubrick für seine Thackeray-Adaption „Barry Lyndon“ aufbaute: ein Rausch aus Seidenkleidern, Damasttapeten, Lüstern, Musketen, Herzoginnen und Mätressen und O’Neal als irischer Glücksritter mittendrin. In Interviews hat O’Neal später oft über Kubricks Pedanterie gelästert. Aber immer wieder wurde er nach dem Film gefragt. Durch ihn wird er bleiben.
Danach ging es, von kurzen Aufschwüngen unterbrochen, mit O’Neals Karriere bergab: die verpasste Oscar-Nominierung für „Paper Moon“, die fehlende Anerkennung für seinen Auftritt als Gangsterfahrer in Walter Hills „Driver“, die vielen Flops, unter denen „Oliver’s Story“ vielleicht der bitterste war: der peinliche Versuch, den Erfolg von „Love Story“ acht Jahre später zu wiederholen. Dazu die privaten Dramen, die O’Neal zu jener Publizität verhalfen, die ihm das Kino nicht mehr verschaffte – der öffentliche Showdown mit seiner Tochter Tatum, die Querelen mit den Söhnen Griffin und Redmond, das uneingelöste Heiratsversprechen an die sterbende Farrah Fawcett.
Mit drei Filmen stieg Ryan O’Neal auf den Gipfel des Ruhms, mit dreißig Filmen und dreihundert Klatschspalten taumelte er wieder herunter. Heute wird er achtzig Jahre alt. Mit ihm altert auch die Erinnerung an jene Jahre, in denen das Kino noch einmal jung wurde und Hollywood sich neu erfand. Aber er hat seinen Stern.
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