Download-Tipps: Diese Indie-Games retten das Spielejahr 2021 - DER SPIEGEL
Statt über die mauen Möchtegern-Blockbuster dieses Jahres zu jammern, empfiehlt es sich, einen Blick auf die hervorragenden Indie-Games zu werfen. Wir stellen die besten vor.
»Battlefield 2042« ein Flop, »GTA: The Trilogy« ein schlechter Witz, »Far Cry 6« Mittelmaß und der Groll über »Cyberpunk 2077« noch nicht verdaut: Das Spielejahr war für Freunde großer, aufwendig produzierter Blockbuster nur mäßig erfreulich. Zum Glück sind die Alternativen vielfältig, denn der Output unabhängiger Spieleentwickler ist groß wie nie.
Wer abseits der Hochglanz-Games schaut, kann dem Spielejahr 2021 einiges abgewinnen. Wir holen die Indie-Highlights des Jahres noch einmal vor den Vorhang – und vergeben Preise in fünf höchst subjektiven Kategorien.
Der Science-Fiction-Preis für pazifistische Weltraum-Erforscher
Platz 3:»Sable«(Windows, Xbox ab 24,99 Euro)
Ein Wüstenplanet wie von Comic-Legende Moebius gezeichnet ist der Schauplatz des Open-World-Spiels »Sable«. Als junges Mädchen macht man sich in der umwerfend exotischen Kulisse ganz ohne Kampf und Gewalt auf eine Reise ins Erwachsenenleben. »Sable« ist ein Fest für Entdecker mit Sinn für Sightseeing. Rezension hier.
»Sable«: Unterwegs in einer Welt, wie gezeichnet von Comic-Künstler Moebius
Foto: Shedworks/Raw Fury
Platz 2:»The Eternal Cylinder«(PS4, Xbox, Windows, ab 23,99 Euro)
Ein Planet voller exotisch-bizarrer Lebewesen in schrillen Farben ist in Gefahr: Eine riesige, von Horizont zu Horizont reichende Metallwalze quetscht Berge, Bäume, Tiere platt. Als kleiner Kopffüßer mit Rüssel ist man in »The Eternal Cylinder« mit Artgenossen auf der Flucht vor der grotesken Apokalypse. Das Spiel des chilenischen Entwicklerstudios ACE Team ist eine außergewöhnliche Mischung aus linearem Action-Adventure und Open-World-Survivalspiel – und das vermutlich schrägste Spiel des Jahres.
»The Eternal Cylinder«: Ein bizarrer Planet, bedroht von einer gewaltigen Walze
Foto: ACE Team
Platz 1:»Exo One«(Windows, Xbox 15,99 Euro)
Mehr Science-Fiction-Atmosphäre bei gleichzeitigem Minimalismus geht kaum: In »Exo One« rollt und gleitet man als Alien-Sonde über atemberaubend schöne Planetenlandschaften und vergisst im Geschwindigkeitsrausch den Alltag. Überzeugende Grafik ohne störendes Interface, perfekte Soundkulisse und viel Abwechslungsreichtum machen diese Weltraumodyssee zum leider nur drei Stunden kurzen Kurzurlaub im All. Rezension hier.
»Exo One«: Ebenso meditativ wie hypnotisch, eine Weltraumodyssee im Geschwindigkeitsrausch
Foto: Exbleative
Der »Es-war-einmal«-Mythologie-Award
Platz 3:»Black Book«(Windows, Mac, Nintendo Switch, PS4, Xbox ab 23,99 Euro)
Statt ausgelutschter 08/15-Fantasy endlich etwas Originelles: russische Folklore, die mit ihrer urwüchsigen Seltsamkeit beeindruckt. In »Black Book« tritt eine Junghexe im ebenso ländlichen wie okkulten Russland ihre Ausbildung zur mächtigen Dämonenmeisterin an. Und zwar mit Karten: Das taktische Deckbuilding-Game als zentrales Spielelement sorgt für spannende Duelle mit Geistern, Untoten und anderer Teufelsbrut. Das liebevoll und detailreich umgesetzte Setting ist aber die Hauptsache in diesem wirklich außergewöhnlichen Spiel.
»Black Book«: Russische Folklore als düsteres Setting für ein taktisches Kartenspiel
Foto: Morteshka
Platz 2:»Valheim«(Windows, Early Access um 16,79 Euro)
Wikingerspiele gibt es viele, dieses ist aber zweifellos eines der großen Games-Phänomene des Jahres. Das im Februar veröffentlichte Survival-Sandbox-Spiel spielt in einem mythischen Jenseits der nordischen Götterwelt und vermeldete trotz Early-Access-Status bereits im August acht Millionen Verkäufe. Kein Wunder, so entspannt und kreativ ist man in dem ansonsten für toxische Communitys berüchtigten Genre nirgends unterwegs. Ein Spiel als Fluchtort vor Pandemie und harscher Realität. Rezension hier.
»Valheim«: Ein Wikinger-Jenseits als Sehnsuchtsort für acht Millionen Survival-Sandbox-Fans
Foto: Iron Gate
Platz 1:»Mundaun«(Windows, PS4, Switch, Xbox ab 16,79 Euro)
Die unheimliche Sagenwelt der Schweizer Alpen ist kaum zuvor Gegenstand von Filmen und Spielen geworden. Im First-Person-Abenteuer »Mundaun« taucht man tief in diese Halbwelt zwischen Folklore und Horror ein, nicht zuletzt dank seiner ganz speziellen Atmosphäre: Die gesamte Grafik wurde vom Künstler und Entwickler Michel Ziegler in mühevoller Handarbeit und sechseinhalb Jahren Entwicklungszeit in Bleistift gezeichnet. »Mundaun« ist aber dank überraschend solider, abwechslungsreicher Gameplay-Elemente, einer spannenden Story und origineller Puzzles mehr als »nur« ein interaktives Kunstwerk. Rezension hier.
»Mundaun«: Schweizer Alpenhorror, handgezeichnet, ein Games-Kunstwerk
Foto: Hidden Fields
Der Taktik-Tüftler-Strategie-Preis
Platz 3:»Fights in Tight Spaces«(Windows, Xbox, ab 20,99 Euro)
Wilde Prügeleien an beengten Orten wie Restaurantküchen, Gefängniszellen oder Hinterhöfen kennt man aus James-Bond- und Martial-Arts-Filmen. Im Game »Fights in Tight Spaces« wird man als Spion im Anzug pausenlos in solche harten Konfrontationen mit zahlenmäßig überlegenen Feinden verwickelt. Gute Reflexe oder Geschick braucht man dabei aber nicht, stattdessen inszeniert das Spiel seine coolen Faustkämpfe als taktisches Kartenspiel – und zwar ebenso originell wie motivierend. Ein stylisches Prügelspiel mit strategischem Tiefgang und ein Kartenspielgeheimtipp des Jahres.
»Fights in Tight Spaces«: Faustkämpfen wie Bond und Bourne, aber mit cleveren Karten
Foto: Ground Shatter
Platz 2:»Wildermyth«(Windows, Mac, Linux 20,99 Euro)
Bitte nicht vom billigen Webcomic-Look abschrecken lassen: »Wildermyth« ist mühelos eines der besten Rollenspiele 2021, und das noch dazu mit einer Riesenportion Originalität. Die Heldinnen und Helden, die hier im Zentrum stehen, altern und entwickeln sich in überraschende Richtungen, verlieben sich, werden verzaubert, sterben oder schicken irgendwann ihre Kinder ins Abenteuer. Schlaue Zufallsalgorithmen, abwechslungsreiche Story-Generierung und überraschend anspruchsvolle Rundentaktik machen »Wildermyth« zum Unikat.
»Wildermyth«: Eines der besten Rollenspiele des Jahres, trotz Webcomic-Ästhetik
Foto: Worldwalker Games
Platz 1:»Gloomhaven«(Windows, Mac, 34,99 Euro)
Das kultige Brettspiel wiegt in seiner physischen Inkarnation mehr als zehn Kilogramm, kostet etwa 150 Euro und verlangt Gleichgesinnte sowie viel Zeit zum Regellernen und Spielfeldaufbau. Da kommt die Videospielversion von »Gloomhaven« gerade recht. Als Fantasy-Söldnertrupp zieht man in taktische Missionen gegen Monster ins Feld. Die analogen Karten- und Brettspielmechaniken sind eins zu eins dem Original nachgebaut und stellen Spieler auch am Computer vor spannende Entscheidungen. Auch wer gar kein Interesse am realen Brettspielvorbild hat, findet hier eines der anspruchsvollsten und faszinierendsten Strategiespiele des Jahres – allein oder online mit bis zu drei weiteren Mitspielerinnen und Mitspielern.
»Gloomhaven«: Das Kultbrettspiel als gelungene Umsetzung ins Digitale
Foto: Flaming Fowl Studios
Der Indie-Hochglanz-Award
Platz 3:»The Medium«(Xbox, Windows, 49,99 Euro)
Die polnischen Gruselspezialisten Bloober Team haben Anfang des Jahres ein Horrorspiel vorgelegt, das mit den großen, kultisch verehrten Genrevorbildern mithalten kann. Die Musik stammt vom Silent-Hill-Komponisten Akira Yamaoka, das Artwork ist eine Hommage an den großen polnischen Surrealisten Zdzisław Beksiński und das Third-Person-Gameplay lässt die Tradition früher Survival-Horror-Legenden wie »Resident Evil« aufleben. Ein wunderbar atmosphärischer Horrortrip zwischen zwei Welten.
»The Medium«: Survival-Horror mit hochkarätiger Präsentation
Foto: Bloober Team
Platz 2:»Kena – Bridge of Spirits«(PS4, PS5, Windows, ab 39,99 Euro)
Kreativ unabhängige Entwicklerstudios stellen längst den Mittelbau der Gamesindustrie dar: Kleinere Studios, die früher fix unter dem Dach großer Publisher arbeiteten, stehen seit der Konzentration der Großen auf wenige, aber umso lukrativere Blockbuster auf eigenen Füßen. »Kena« wäre wohl noch vor wenigen Jahren als mittelgroßes Spiel eines bekannten Publishers veröffentlicht worden, so ist es eben ein Hochglanz-Indie. Das hübsche Spiel überzeugt durch tolle Präsentation, sympathisches Design und solides Gameplay.
»Kena - Bridge of Spirits«: Action-Adventure in einer bezaubernden Welt, knapp dran an AAA
Foto: Ember Lab
Platz 1:»Little Nightmares 2«(Windows, Xbox, PS4/5, Switch, ab 29,99 Euro)
Auch »Little Nightmares 2« lebt in der Grauzone zwischen »klassischem« Publisher-Entwickler-Rollenbild und modernem Indie-Verständnis, doch die schwedischen Tarsier Studios legen trotz Vertriebs durch Bandai Namco großen Wert darauf, als »Independents« die kreative Oberhoheit über ihre Werke zu haben. Das Horrorspiel lebt auch in seinem zweiten Teil vom umwerfenden Figurendesign, extradichter Atmosphäre und originellen Physikrätseln. Achtung: nichts für Kinder!
»Little Nightmares 2«: Ein Horrorabenteuer, so abgründig und niedlich wie ein Film von Jeunet und Caro
Foto: Tarsier Studios
Der »Heldenhafte-Kleintiere«-Sonderpreis
Platz 3:»Death’s Door«(PS4, Switch, Xbox, Windows, ab 19,99 Euro)
Indiespiele pflegen große Games-Traditionen der Vergangenheit und holen sie nicht selten frischer als gedacht in die Gegenwart. Das Action-Adventure »Death’s Door« etwa huldigt den legendären frühen Teilen von »The Legend of Zelda«, peppt das 2D-Spielprinzip aber mit einem kräftigen Schuss »Dark Souls« auf. Als flinke Krähe übernimmt man den Job von Gevatter Tod höchstpersönlich und macht sich auf, widerspenstige Seelen ein für allemal ins Jenseits zu befördern. Stylisch, schnell, überraschend herausfordernd und actionreich.
»Death's Door«: Der wahre Erbe von Zelda und Dark Souls ist ein Krähensensenmann
Foto: Acid Nerve
Platz 2:»Tails of Iron«(Windows, PS4, Xbox, Switch, ab 24,99 Euro)
Dieses Abenteuer mag auf den ersten Blick nach Kinderbuchillustration aussehen, doch der Rachefeldzug des Rattenprinzen Redgi ist ein knallhartes Actionrollenspiel mit recht taktischem Kampf und ziemlich viel Splatter. Das Metroidvania erzählt eine epische Dark-Fantasy-Geschichte im Reich der Amphibien und Nager und verdankt seine gelungen düstere Atmosphäre auch dem Sprecher, der schon dem Witcher Geralt von Rivia selbst die Stimme geliehen hat. Ein ebenso niedliches wie blutiges Gemetzel.
»Tails of Iron«: Sieht aus wie ein Kinderbuch, ist aber knallhart
Foto: Odd Bug Studio
Platz 1:»Inscryption«(Windows, 19,99 Euro)
Je weniger man sich die Überraschung verdirbt, desto besser. Nur so viel: In »Inscryption« spielt man ein taktisches Kartenspiel gegen ein unheimliches Gegenüber. Nach ein paar Runden wird’s aber komisch: Warum beginnen die Waldtiere auf meinen Spielkarten mit mir zu reden? Was gibt es in der finsteren Hütte, in der das Spiel stattfindet, sonst noch zu entdecken? Und wie gewinnt man ein Spiel, dessen Regeln sich konstant verändern? »Inscryption« ist ein großartiges Meta-Spiel über Videospiele, das ganz abseits seiner doppelten Böden Spaß macht. Eines der interessantesten Games des Jahres, ob Indie oder nicht. Rezension hier.
»Inscryption«: Das überraschendste Spiel des Jahres, doppelte Böden inbegriffen
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