c't 3003: Welches Linux macht ein zwölf Jahre altes Notebook wieder benutzbar?
Das alte Notebook ist unter Windows so lahm, dass Arbeiten zur Qual wird. Kann Linux da helfen? Und wenn ja, welches? c't 3003 hat's ausprobiert.
Dass Linux alten Rechner Beine machen kann, ist eine Binsenweisheit. Aber ist das wirklich so? Und welches Linux nimmt man da?
Transkript des Videos:
In diesem Video versuche ich, ein zwölf Jahre altes Notebook so flottzumachen, dass arbeiten darauf wieder Spaß macht – das vorinstallierte und inzwischen auf Windows 10 geupdatete Windows ist so schnarchlahm, dass ich das Ding nicht mal mehr als Reiseschreibmaschine benutzen will. Und klar, ich installiere Linux da drauf – aber welches funktioniert am besten? Außerdem habe ich mir die Bonus-Aufgabe gegeben, niemals auf der Kommandozeile zu frickeln; mal schauen, ob eines der Linuxe out of the box problemlos funktioniert – und ob das Ding auch wirklich schneller läuft damit.
Das hier ist mein antikes Notebook: Ich habe es 2010 gekauft, ein Acer Travelmate 8172 mit einem 1,2-Gigahertz-Dualcore-Prozessor, 4 Gbyte RAM und schönen Aufklebern drauf. Unter anderem von Firmen, die gar nicht mehr existieren -- zum Beispiel Oculus hier, die sind ja längst von Facebook, äh, Meta aufgekauft.
Ursprünglich war auf dem alten Laptop ,al Windows 7 drauf, inzwischen durch diverse Updates Windows 10. Und das läuft wirklich wie ein Sack Schrauben: Ich hatte es jetzt schon mehrfach, dass beim Mailschreiben in Thunderbird nach jedem Tastendruck der entsprechende Buchstabe erst nach mehreren Sekunden auf dem Bildschirm erschienen ist; außerdem wurde der Lüfter sehr oft sehr laut. Kurios: Nach dem Update auf Windows 10 funktionierte das Scrollen mit zwei Fingern auf dem Touchpad nicht mehr; und das, obwohl Windows im Gerätemanager keinen fehlenden Touchpad-Treiber anmeckert.
Also arbeiten macht darauf wirklich absolut keinen Spaß mehr; das Ding liegt seit ein paar Jahren ungenutzt im Keller rum. Aber wegwerfen habe ich nicht übers Herz gebracht.
Und, na klar, jetzt kommt Linux ins Spiel. Das ist ja irgendwie ne Binsenweisheit: Mit Linux kriegt man altersschwache Rechner wieder flott. Sagt sich so leicht. Linux! Welches Linux soll man da konkret nehmen? Googelt man zum Beispiel nach den besten "light weight" Linux-Distributionen, kriegt man dutzende Dinger um die Ohren gehauen. Glücklicherweise kennt sich meine c’t-Kollegin Liane mit dem Thema super aus.
Was soll's denn sein?
Liane, was sollte ich auf meiner lahmen Krücke installieren?
Liane Dubowy: Also, da das ein Notebook ist, das 64 Bit unterstützt, ist die Auswahl relativ einfach. 4 GByte Arbeitsspeicher ist wenig, aber für schlankere Desktopumgebungen reichlich. Ich würde zum Beispiel ein Xubuntu nehmen, wenn es ein bisschen mehr Desktop sein soll, ein bisschen mehr Komfort, das sollte da auf jeden Fall noch gut drauf laufen.
Ok, Xubuntu ist also bei reduzierten Linuxen sozusagen der Funktionskönig, wenn ich es aber so richtig ganz doll reduziert haben will, was nehme ich da am besten?
Liane Dubowy: Wenn der Rechner doch ein bisschen älter ist oder die Sachen da zu langsam laufen, würde ich Bunsenlabs empfehlen. Das ist eine Debian-basierte Linux-Distribution, die einen Openbox-Windowmanager, also eine ganz schlichte grafische Oberfläche ohne viele Funktionen und ohne großen Softwareumfang mitbringt, das läuft richtig zackig dann vermutlich, bringt aber auch weniger Komfort mit.
Super, Xubuntu und Bunsenlabs sind schonmal auf meiner Liste. Zusätzlich will ich noch ein Puppy Linux (konkret FossaPup64) ausprobieren, einfach weil mir das auf jeder Linux-Leichtgewicht-Liste begegnet. Und als crazy Bonuslinux will ich die x86-Version von Raspberry Pi OS ausprobieren – das Ding ist ja dafür gemacht, dass es auf so Klitzekleinstrechnern wie dem Raspberry Pi Zero läuft.
Die Installation geht bei allen erstmal gleich: Ihr geht auf die Downloadseite der Distribution – alle Links findet ihr in der Beschreibung – und ladet die ISO-Datei herunter. Ihr spart übrigens Serverkosten für die Distri-Macher, wenn ihr das Ding als Torrent herunterladet; aber wenn ihr für Torrents keinen Client installiert habt, dann gibt es natürlich auch normale Downloadlinks. So, und die ISO-Datei müsst ihr jetzt bootfähig auf einen USB-Stick kriegen; ich habe das mit Balena Etcher gemacht, das gibt es für Windows, macOS und Linux. Einfach starten, ISO-Image auswählen, USB-Stick reinstecken, auswählen und los. So; und jetzt den USB-Stick in das alte Notebook. Falls das Ding nicht davon bootet, müsst ihr im Bios USB-Laufwerke in der Bootreihenfolge vor die integrierte SSD oder Festplatte stellen. Bei meinem Notebook komme ich mit F2 ins Bios und kann das unter „Boot“ einstellen, einfach die USB-HDD an die erste Stelle schieben.
So; ich zeige euch jetzt mal stellvertretend für alle Linuxe die Installation von Xubuntu. Als erstes könnt ihr die Sprache auswählen, und ob ihr erstmal ausprobieren wollt oder gleich installieren. Das ist übrigens bei allen erwähnten Linuxen so – man kann in die alle erstmal so reinbooten, ohne dass überhaupt was auf die Platte oder SSD des Rechners geschrieben wird, das bleibt erstmal alles auf dem USB-Stick. Superpraktisch, das. Ich will aber direkt installieren, also draufgeklickt. Dann die Tastaturbelegung auswählen und das WLAN. Nun darf man wählen, ob man eine normale oder eine minimale Installation will – der Unterschied liegt hier nur in der vorinstallierten Software. Wir machen Normal, denn Speicherplatz ist ja genug da. Außerdem kann man wählen, ob direkt aktualisiert werden soll und ob man Dritthersteller-Software akzeptiert – wer die reine Open-Source-Lehre vertritt, macht den Haken weg, alle anderen können das Häkchen getrost setzen. Als nächstes darf man entscheiden, ob Linux neben Windows 10 installiert werden – da kommt dann bei jedem Booten ein Auswahlmenü oder ob es als alleiniges Betriebssystem installiert werden soll. Ich geh aufs Ganze und lösche Windows. Dann einfach auf „Weiter“, Zeitzone festlegen, gewünschten Benutzername und Passwort eingeben und los geht der wilde Ritt. Nach ein paar Minuten, zack fertig, Xubuntu ist installiert.
Und ich bin ehrlich gesagt ganz schön beeindruckt, wie gut das komplett ohne Gefrickel funktioniert. Es werden um Beispiel direkt die Display-Hell-Dunkel-Funktionstasten erkannt, und auch die Lautstärketasten. Und krass: Anders als Windows 10 kann das System out of the Box scrollen mit zwei-fingern auf dem Touchpad, ja super! WLAN geht natürlich auch. Und ganz wichtig: Ein Minesweeper-Klon ist vorinstalliert.
Schwuppsiger als Windows
Das System fühlt sich definitiv schwuppsiger an als unter Windows, ich kann in Thunderbird auf meinem über 10 Gigabyte fettem IMAP-Account problemlos Mails lesen und schreiben. Macht richtig Spaß. Sogar Netflix-kucken ist kein Problem, Firefox fragt selbstständig nach, ob er das Digital-Rights-Management Plug-in installieren soll. Ich brauche wirklich keine Konsole, es gibt sogar einen einigermaßen hübsch gestalteten Appstore – auch wenn ich zugeben muss, dass ich unter Linux gerade die Installation per Kommandozeile mit apt super nice finde. Das einzige Problem das auftritt: In meinem mehrere Tage langen Probelauf hat sich zweimal der WLAN-Zugriff von selbst deaktiviert. Wenn das passiert ist, lief sich auch ein Klick auf Neustart in einer Dauerschleife fest, ich musste also das Notebook aus und wieder anschalten. Dann ging es wieder problemlos. Mit Netzwerkkabel gab es übrigens keine Probleme.
Die aktuelle Puppy-Linux-Geschmacksrichtung FossaPup64 war für mich dagegen ein Totalausfall. Wenn ich vom FossaPup64-USB-Stick booten wollte, meldete sich immer der Bootmanager Grub mit einem Fehler. Mal kurz im Netz nachgeschaut: Das ist offenbar ein bekanntes Problem – ganz schön seltsam, dass bei einer 1,5 Jahre alten Software dieser Fehler noch nicht behoben ist? Ich hatte mir ja vorgenommen, nicht zu frickeln; also lasse ich das mit PuppyLinux, es gibt ja noch genug andere.
Zum Beispiel Raspberry Pi OS; das hatte jemand unter Lianes Artikel kommentiert, dass das auch eine schöne Lightweight-Variante ist. Also direkt mal ausprobiert: Booten ging schonmal. Tatsächlich sieht der Desktop exakt genauso aus wie bei der „echten“ Raspberry-Pi-Version für ARM-CPUs; das geht sogar so weit, dass es hier den !!! gibt. Aber ich kann keine Software installieren, weil hier noch der USB-Stick in den Paketquellen steht, der ja längst nicht mehr da ist. Das könnte ich leicht beheben, indem man „/etc/apt/sources.list“ editiert, aber ich will ja nicht frickeln. Schade eigentlich, denn schaut mal, was da für schöne Spiele vorinstalliert sind! Geil, ein Pong-Klon und eine ziemlich seltsame Bubble-Bobble-Variante! Außerdem Frogger und Fußball. Und man kann Python mit Spielen lernen. Top!
So muss Linux aussehen
Als letztes Linux ist Bunsenlabs Lithium dran. Die Installation geht richtig schnell – und ich bin hin und weg: Genau so muss Linux für mich aussehen, so‘n bisschen Hackermäßig, mit ASCII-Art, Darkmode voreingestellt – gefällt mir richtig, richtig gut. Läuft auch superschnell und ich finde sofort alles, was ich brauche. Sehr gelungen finde ich das superschnelle, rein textbasierte Startmenü, in dem ich auch per Tastatur suchen kann. Allerdings muss man auf ein paar Standards verzichten, zum Beispiel kann man hier keine Dateien einfach auf dem Desktop ablegen. Außerdem gibt es nur sehr selten Betriebssystem-Updates und auch die in den Debian-Paketquellen angebotene Software ist eher ein bisschen abgehangen.
Schaut man sich die RAM-Nutzung aller von mir ausprobierten Linuxe im Leerlauf an, ist Raspberry Pi OS mit circa 230 MB Ram am leichtesten, Xubuntu und Bunsenlabs genehmigen sich ungefähr das doppelte. Ich spüre aber keinen Geschwindigkeitsunterschied, alle drei fühlen sich schnell und ganz klar schneller als Windows 10 an. Sogar der Geekbench5-Benchmark erzielt unter den Linuxen etwas bessere Werte als unter Windows – erstaunlich! Obendrein scheint es mir, als würde der Lüfter unter Windows häufiger und lauter laufen als unter Linux. Aber der Speedometer-Browser-Benchmark auf browserbench.org ist wiederum unter Linux trotz gleicher Firefox-Version langsamer. Hmm, vielleicht hat mein c’t-Kollege Niklas eine Erklärung dafür?
Niklas Dierking: Also da muss man erstmal vorausschicken, dass sich Windows und Linux, was die Perfomance angeht, nicht so optimal vergleichen lassen. Hier im Beispiel waren jetzt bestimmte Distributionen mit sehr leichtgewichtigen Desktop-Umgebungen im Einsatz, da liegt’s eigentlich auf der Hand, dass sich das Arbeiten ein bisschen flotter anfühlt. Das kann halt aber bei anderen, schwergewichtigeren Desktop-Umgebungen ganz anders aussehen. Ich glaube auch, wenn man das Windows noch ein bisschen entschlacken würde, beispielsweise durch ein älteres Theme oder indem man ein paar Hintergrundprozesse ausknipst, dann würde sich das ähnlich anfühlen. Dazu muss man vielleicht noch sagen, dass das immer eher vom konkreten Anwendungsfall als vom Betriebssystem abhängt, also es gibt gewisse Workloads, beispielsweise CPU-Render in Blender, die sind unter Linux einfach ein bisschen flotter. Es wird aber mit Sicherheit auch Anwendungsbereiche geben, wo das umgekehrt ist.
Ah, ok, interessant!
Viel geschmeidiger
Also, mein Fazit: Dass man mit Linux einen unter Windows altersschwachen Rechner sehr gut wiederbeleben kann, stimmt: Zumindest mein altes Notebook würde ich unter Windows nicht mehr benutzen wollen, aber unter Linux schon; weil es einfach viel geschmeidiger läuft. Auch wenn ich zugeben muss, dass mir das Display mit 1366 x 768 Pixeln für den Alltag ein bisschen zu niedrig aufgelöst und auch zu kontrastarm ist. Aber für zwischendurch mal was schreiben, geht das definitiv klar. Ich war vor allem auch erstaunt, dass das alles out of the box ohne Kommandozeilengefrickel gut funktioniert hat. Also bei allen Linuxen funktionierten die Helligkeits- und Lautstärketasten, wenn ich das Notebook zuklappe, ging das brav in den Standby – und zwei Finger-Scrollen klappte auch bei allen getesteten Distributionen. Nochmal zur Erinnerung: Bei Windows 10 ging das nicht.
Sogar Netflix hat bei Xubuntu und Bunsenlabs Lithium direkt geklappt, bei denen ist Firefox als Browser vorinstalliert und der sagt dann: Ah, ich sehe, du willst Netflix nutzen, bist du einverstanden, dass ich DRM-Zeug installiere; ja, ok, zack fertig. Bei Raspberry Pi OS mit vorinstalliertem Chromium-Browser klappte das nicht auf Anhieb.
Mein persönlicher Favorit ist auf alle Fälle Bunsenlabs Linux, einfach weil es so L33t-Haxx0r-mäßig aussieht und sich superschnell anfühlt. Das werde ich jetzt auch auf dem Teil drauflassen, auch wenn ich langfristig dann doch etwas frickeln werde – weil Linux ganz ohne Kommandozeile ist ja auch irgendwie seltsam. Aber auf alle Fälle fand ich interessant, dass es tatsächlich ohne geht, wenn man das will. Tschüß!
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