Manager von führenden Chipherstellern wie Intel, Nvidia und TSMC machen keine Hoffnung, dass die Chipkrise bald ein Ende haben wird. Einem Bloomberg-Bericht zufolge sieht der taiwanesische Halbleiterhersteller TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Co.) die Zukunft besonders düster. Bei einer Telefonkonferenz mit Analysten sagte Unternehmenschef C.C. Wei, die schleppende Versorgung der Industrie mit Mikrochips könnte sich noch bis 2022 hinziehen.
Zwar werde sich die Lage für Kunden aus der Automobilindustrie im nächsten Quartal etwas entspannen, doch insgesamt würde der Mangel bei wichtigen Halbleiterprodukten das ganze Jahr anhalten und sich möglicherweise ins Jahr 2022 ausdehnen, so Wei. Die Nachfrage sei weiterhin hoch. »Ich hoffe, dass wir im Jahr 2023 mehr Kapazität anbieten können, um unsere Kunden zu unterstützen.« Dann, so Wei, werde sich die Lieferkette etwas entspannen.
Pat Gelsinger, der erst vor Kurzem zu Intel zurückkehrte, um dort den Chefposten zu übernehmen, sieht ebenfalls kein schnelles Ende der Krise. Der »Washington Post« sagte er, dass die Knappheit noch »einige Jahre« andauern werde.
Nvidias Finanzchefin Colette Kress klingt nicht viel optimistischer. Die Nachfrage sei »nach wie vor sehr stark und übersteigt weiterhin das Angebot, während unsere Lagerbestände in den Vertriebskanälen weiterhin recht mager sind«, sagte sie am Montag bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen. Ihr Unternehmen erwarte, »dass die Nachfrage das Angebot für einen Großteil dieses Jahres weiterhin übersteigen wird.«
Alle bekommen es zu spüren
Die Auswirkungen sind vor allem in der Autoindustrie zu spüren. Ford beispielsweise musste seine Pkw-Produktion im März zeitweilig wegen fehlender Chips stoppen, Volkswagen schickte Mitarbeiter deswegen in Kurzarbeit, Audi drosselt die Produktion in China.
Aber auch Privatanwender bekommen die Krise zu spüren, und sei es nur, weil das gewählte Notebook monatelang nicht lieferbar ist. Der Versuch, Sonys neue Playstation 5 zu kaufen, gleicht einem Glücksspiel. PC-Spieler, die versuchen, eine der von Experten hochgelobten neuen Grafikkarten von Nvidia zu ergattern, stoßen sich entweder an leeren Regalen oder absurd überhöhten Preisen. Einem Bericht von »Nikkei Asia« zufolge trifft die Krise auch Apple. Wegen fehlenden Chipnachschubs habe die Produktion neuer MacBooks und iPads verschoben werden müssen, heißt es dort ohne Nennung von Quellen.
Wer oder was ist schuld?
Als Grund für die Knappheit wird häufig angesehen, dass aufgrund der Coronakrise die Nachfrage nach Unterhaltungselektronik, Computern und Zubehör drastisch gestiegen ist. Die Chiphersteller hätten nun nicht nur Mühe, der Nachfrage gerecht zu werden, sondern vor allem die Nachfrage aus der zunehmend auf Elektronik setzenden Automobilindustrie zu befriedigen.
Der Vorstandsvorsitzende von Huawei hingegen sieht die Schuld für die Malaise bei den Amerikanern. »Wegen der US-Sanktionen gegen Huawei haben Unternehmen weltweit, vor allem chinesische, panisch Vorräte angehäuft«, sagte Eric Xu am Montag auf dem Huawei Analyst Summit. In der Vergangenheit hätten diese Unternehmen kaum Vorräte angelegt, sich eher kurzfristig mit den nötigen Bauteilen versorgt. »Aber jetzt bauen sie Vorräte für drei oder sechs Monate auf ... und das hat das ganze System durcheinandergebracht.«
Xu bezieht sich dabei auf die Sanktionen, die das US-Handelsministerium noch unter der Trump-Regierung gegen das chinesische Unternehmen ausgesprochen hat. Zunächst waren davon nur Lieferungen von US-Unternehmen an Huawei betroffen, die beispielsweise zur Folge hatten, dass Google Huaweis erfolgreicher Smartphone-Sparte keinen direkten Zugang zu seinem Android-Betriebssystem mehr geben durfte.
Später wurden die Bestimmungen jedoch insofern erweitert, dass der Bann nun auch Produkte umfasst, die mithilfe amerikanischer Technologie hergestellt werden. Die USA begründen diese Schritte mit Huaweis angeblichen Verbindungen zum chinesischen Militär und Geheimdienst.
Die Befürchtung ist, dass Huawei in seine Produkte – dazu gehören auch Netzwerkgeräte und Mobilfunktechnologie – verborgene Spionagefunktionen einbaut, die es China ermöglichen könnten, Daten abzugreifen oder Systeme per Fernsteuerung lahmzulegen. Belege für diese Anschuldigungen wurden bislang nicht vorgelegt.
Kriegsrhetorik
Dessen ungeachtet führt die Administration von Joe Biden den harten Kurs gegen China fort. So wurden erst vor wenigen Tagen sieben chinesische Unternehmen, die mit der Entwicklung und Herstellung von Supercomputern befasst sind, auf die schwarze Liste gesetzt. Auch hier werden Verbindungen zum Militär als Begründung herangezogen.
Manchen US-Politikern geht aber auch das noch nicht weit genug. In einem am Donnerstag publik gewordenen Brief an die amerikanische Wirtschaftsministerin Gina Raimondo fordern der republikanische Abgeordnete Michael McCaul und sein Parteikollege Senator Tom Cotton, die für Huawei geltenden Regeln auf alle chinesischen Firmen auszudehnen, die Mikrochips mit Strukturbreiten von 14 Nanometern und weniger entwickeln oder produzieren.
Das Schreiben ist formuliert wie ein Brandbrief aus der Zeit des Kalten Krieges: So heißt es darin, die Maßnahmen würden »sicherstellen, dass es US-Firmen und solchen aus Partner- und verbündeten Ländern nicht erlaubt ist, den Kommunisten den Strick zu verkaufen, mit dem sie uns alle erhängen werden.«
Die 50-Milliarden-Dollar-Lösung
In den USA sieht man den Ausweg aus der Krise vor allem im Ausbau von Fertigungskapazitäten im eigenen Land. Die Regierung von Joe Biden betrachtet die Chipknappheit als eine Frage der nationalen Sicherheit. Kein Wunder also, dass Bidens gigantisches Infrastrukturprogramm einen Posten zur Förderung der Halbleiterproduktion im eigenen Land enthält. Mit 50 Milliarden Dollar sollen Produktion und Forschung gefördert werden.
Was nach einer gewaltigen Summe klingt, hält Intel-Chef Gelsinger allerdings für knapp kalkuliert. Allein sein Unternehmen will 20 Milliarden Dollar in den Bau zweier neuer Chipfabriken in Arizona investieren. Er setzt sich dafür ein, den Anteil amerikanischer Fabriken an der weltweiten Chipproduktion von derzeit zwölf auf 30 Prozent zu erhöhen. Dafür wären, so Gelsinger, weit mehr als jene 50 Milliarden Dollar nötig.
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