Der LCD-Hersteller BOE spielt das Zahlenspiel: 500 Hz sind mehr als 240 Hz! Ein Nutzen ist bestenfalls fragwürdig - Erfolg ebenfalls.
Der Trend zu Displays mit immer höherer Bildfrequenz erinnert immer mehr an das Rennen, das sich Peripheriehersteller bereits in den 2000er-Jahren lieferten: Statt immer mehr DPI in Mäuse zu stecken, werden die Hertzzahlen immer höher. Waren vor einigen Jahren 120 und 144 Hz noch Gold-Standards, gibt es mittlerweile auch 240- und 300-Hz-Displays.
Der Hersteller BOE geht noch einmal einen Schritt weiter und hat in einem Teaser das erste 500-Hz-Display vorgestellt. Auch, wenn das an sich nur eine Demonstration der Metalloxidtechnik ist, die das Unternehmen entwickelt, können wir nur den Kopf schütteln: Wer braucht so etwas? Die 500 Hz sind - wie schon 240 Hz - ein Marketing-Argument, das wie 20.000-dpi-Sensoren in Mäusen kaum praktische Relevanz hat. 500 Hz dürften sogar mehr Nachteile bringen, als die vorgeblichen Vorteile aufwiegen könnten. Wichtiger ist eher, Panels mit schnellen Pixelreaktionszeiten und konkurrenzfähigen Auflösungen zu bauen.
Die Theorie der hohen Bildfrequenz ist dabei simpel: Das menschliche Auge sieht den Unterschied zwischen 60 Hz, dem bisherigen Standard bei den meisten Geräten, und 120 oder 144 Hz deutlich. Elemente werden dabei mit weniger Schlieren angezeigt, was ein Bild gerade bei schnellen Bewegungen auf dem Display flüssiger wirken lässt. Das ist ein Grund, warum mittlerweile auch High-End-Smartphones und Tablets auf Panels setzen, die mit mehr als 60 Hz arbeiten. Das Scrollen und Bewegen von GUI-Elementen wirkt flüssiger und damit performanter.
Selbst High-End-PCs nutzen 500 Hz nicht aus
Gerade im Gaming-Bereich kommt ein weiterer Faktor hinzu: Neben weniger wahrnehmbaren Schlieren - und damit einem für das Auge schärferen individuellen Bild - stellen angezeigte Frames bei höheren Bildfrequenzen aktuellere Informationen dar. Springt ein Gegner in Counter-Strike: Global Offensive etwa schnell aus der Deckung, sehen wir also eben diese Bewegung in kürzeren Intervallen und unsere Schüsse auf das Ziel sind entsprechend präziser.
Dass dadurch die Zielgenauigkeit steigt, hat bereits der Youtube-Kanal Linus Tech Tips bewiesen. In einem experimentellen Setup traten mehrere Pro-Gamer, darunter Twitch-Streamer Michael "Shroud" Grzesiek, und Casual-Gamer in diversen Disziplinen an. Das Ergebnis: Der Unterschied zwischen 60 und 144 Hz ist enorm, mit teilweise spielentscheidenden Vorteilen für höhere Frequenzen und Bildraten. Auch zwischen 144 und 240 Hz waren Unterschiede merkbar, allerdings bei Weitem nicht mehr so stark.
Der Sprung von 240 Hz auf 500 Hz dürfte entsprechend abseits eines Plazebo keine Wirkung mehr haben. Ein Problem ist zudem: Die hohe Bildfrequenz muss vom System auch gerendert werden können, ansonsten werden möglicherweise wichtige Frames in Games übersprungen. Games in 500 fps darstellen zu können, ist selbst für High-End-Systeme in den wenigstens Fällen machbar.
Dazu stellen wir ein praktisches Beispiel auf und messen die FPS im klassischen E-Sports-Shooter CS:GO. Das Testsystem ist ein High-End-PC mit Intel Core i9-12900K, 32 GByte DDR5-RAM, einer NVMe-SSD von Samsung und einer Nvidia Geforce RTX 3090 als Grafikkarte.
Wir konfigurieren die Auflösung auf 1.920 x 1.080 Pixel, der nativen Auflösung des BOE-Panels, und die Grafikeinstellungen im Spiel auf sehr niedrig bei deaktiviertem Anti-Aliasing. In einem kurzen Deathmatch auf de_dust2, bei dem wir Bots gegeneinander antreten lassen, erreichen wir durchschnittlich 343 fps.
Sobald wir die Grafikdetails etwas höher stellen oder ein etwas aktuelleres Spiel starten, sind die Bildraten entsprechend niedriger. Kein realistisch ausgestattetes aktuelles System für Endkunden kann Spiele mit so hohen Frameraten rendern - selbst wenn diese fast 10 Jahre alt sind.
Bessere Auflösung, statt noch mehr Hz
Sinnvoller für die meisten Menschen dürften mittlerweile Displays sein, die mehr als nur Full-HD in hohen Bildfrequenzen darstellen können. Spiele sehen etwa in 1440p oder 4K wesentlich besser aus. Das gilt übrigens auch für GUI-Elemente, Schriften und andere Teile des Betriebssystems.
Auch geht der Trend immer weiter zu größeren Displaydiagonalen, die derzeit meist als VA- oder IPS-Panel realisiert werden. Gerade erstere Technik ist in punkto Pixelreaktionszeit nicht unbedingt schnell. Ein Beispiel ist der Asus PG43UQ, der sehr gute Farben darstellt, aber in schnellen Szenen Artefakte und Schlieren zu erkennen gibt.
Obwohl IPS-Panels diesen Nachteil größtenteils negieren, sind es OLED-Panels, die mit einer sehr schnellen Reaktionszeit und noch besseren Bildschärfe wahrscheinlich den Markt der Gaming-Monitore übernehmen werden - zumindest im höherpreisigen Segment.
Auch BOE kann die eigene Metalloxid-Technik wohl im Bereich der OLED-Fertigung einsetzen. Ein Vorteil davon dürfte sein, Panels günstiger und mit besserer Pixelreaktionszeit anbieten zu können.
Auch Samsung wird Displays mit QD-OLED-Technik, allerdings in 34 Zoll, anbieten. Besonders ist dabei der Odyssey Ark, den das Unternehmen auf der CES 2022 gezeigt hat. Dessen 16:9-OLED-Panel misst 55 Zoll und lässt sich um 90 Grad drehen. Außerdem ist eine hohe Bildfrequenz bei einer Auflösung von 4K wahrscheinlich.
In Anbetracht solcher Produkte wirken kleinere 27-Zoll-Panels mit 500 Hz wie der Versuch, diese im Nischenmarkt der Esports-Plazebo-Produkte noch zu festigen. Wir würden sagen: Wenige Kunden werden so etwas brauchen, geschweige denn kaufen.
Ausschließen lässt sich der Erfolg dieser Strategie aber nicht. Zumindest können Hersteller sich eine hohe Zahl auf die Packung schreiben. Und das hat eine Zeit lang ja auch mit Gaming-Mäusen und hohen DPI-Zahlen geklappt.
Informationen zum Thema Monitorhalterungen gibt es hier in unserem Ratgeber.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de [IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)]
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